Es braucht keinen Betreuungsvertrag, wenn die erwachsene Tochter mit Behinderung bei den Eltern wohnt, die ihre Beistände sind. Das Obergericht des Kantons Aargau hat kürzlich ein klares Stoppsignal gegen eine problematische KESB-Praxis beim Erwachsenenschutz gesetzt. insieme ist über die Klärung erleichtert.
Im konkreten Fall ging es um eine junge Frau mit Behinderung, die noch bei ihren Eltern wohnt und einen finanziellen Beitrag leistet. Die regionale Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) verlangte von den als Beistände eingesetzten Eltern einen schriftlichen Betreuungsvertrag samt Budget. Darin sollte der monatliche Bezug für Miete, Unterhalts- und Betreuungskosten in Form der Hilflosenentschädigung (HL) geregelt werden. Ohne eine solche Vereinbarung seien die Bezüge nicht rechtmässig, argumentierte die KESB.
Eltern wehren sich
Gegen diese Verpflichtung setzten sich die Eltern mit einer Beschwerde zur Wehr. Sie machten geltend, dass die Beziehung der Eltern zur erwachsenen Tochter nicht durch Vertragsrecht, sondern durch familienrechtliche Normen geprägt sei. Die bisherige Rechtspraxis basiere auf der festen Überzeugung , dass die gelebte Solidarität zwischen Eltern und Kindern ohne kompliziertes Vertragswerk auskomme.
Solidarität in der Familie zählt
Auch das Obergericht vertritt nun in seinem Urteil die Auffassung, dass das Gesetz keine Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrages mit den elterlichen Beiständen vorsehe. Dies sei für den Rechtsverkehr auch nicht notwendig. Wenn Eltern ihr mündiges behindertes Kind als Beistände über Jahre uneigennützig und aufopfernd betreuten, erscheine es angezeigt, die administrativen Hürden auch unter dem neuen Erwachsenenschutzrecht tief anzusetzen.
Das Obergericht plädiert dafür, den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen und die Balance zwischen notwendiger Überwachung der Angehörigen und Freiräumen in der Betreuung zu suchen.
insieme erleichtert
insieme hatte befürchtet, dass die Etablierung solcher Verträge nur den Auftakt für weitere administrative Anforderungen bilden könnten und hat die betroffene Familie bei ihrer Beschwerde unterstützt. Nun ist insieme erleichtert über den Entscheid des Aargauer Obergerichts. Er entspricht einem zentralen Anliegen, das bei der Revision des neuen Erwachsenenschutzrechts zentral war: Die Solidarität in der Familie zu stärken.