Eine Erfolgsgeschichte: Einer jungen Frau mit Behinderung, die dauerhaft in einer Schweizer Institution wohnt, während ihre Eltern im Ausland leben, darf die IV-Unterstützung nicht gestrichen werden. So lautet der Grundsatzentscheid des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer). Inclusion Handicap hat die junge Frau vor Gericht vertreten und begrüsst den Entscheid. Auch insieme Schweiz freut sich über diesen Sieg.
„Nach sechs Jahren Kampf und zwei Gängen vors Gericht haben wir das nicht erwartet! Das ist wirklich eine Überraschung! Wir dachten schon, wir müssten bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen“, sagt am Telefon Domenica, die kämpferische Mutter von Laetitia. Der Rechtsspruch hält fest, dass das Wohnheim, in dem Laetitia seit 15 Jahren lebt, ihr effektiver Wohnort ist.
Sechsjähriger Rechtsstreit
Laetitia hat eine infantile Zerebralparese und erhielt seit 2011 keine IV-Rente mehr. Der Grund: Ihre Eltern waren nach Frankreich gezogen, wo sie eine behindertengerechte Wohnung gefunden hatten. Mehrere Rechtsentscheide bezüglich des effektiven Wohnsitzes der jungen Frau hatten festgehalten, dass ihr legaler Wohnsitz bei ihren Eltern sei: „Trotz einer Petition und einer Demonstration vor dem Genfer Grossen Rat konnten wir nichts machen. Wir fühlten uns ohnmächtig“, erinnert sich die Mutter von Laetitia.
„Sie haben nie versucht, unsere Situation zu verstehen“
Sogar nach der Volljährigkeit Laetitias betrachtete das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) den Wohnsitz ihrer Eltern weiterhin als Laetitias effektiven Wohnsitz. Das BSV meinte, dass bei einer Person, die nicht urteilsfähig ist, der Wohnort ihrer Eltern lebenslänglich als ihrer betrachtet werden müsse. „Das war schlimm. Sie waren sehr hart und haben nie versucht, unsere Situation zu verstehen“, sagt Domenica. Dass eine Person mit Behinderung ihr ganzes Leben lang ihren Wohnsitz als Minderjährige behalten müsse, sei ein Verstoss gegen die UNO-Behindertenrechtskonvention, meint der Dachverband Inclusion Handicap, der die Rechte der jungen Frau vor Gericht vertrat.
Grosser Schritt nach vorne
Dieser Entscheid erlaubt es Laetitias Familie und anderen Schweizer Familien in der gleichen Situation, IV-Unterstützung zu erhalten. Wenn der Kampf all die Jahre hindurch auch nicht einfach war für Domenica und ihre Familie, freut sie sich doch über diesen Erfolg: „Glücklicherweise habe ich starke Nerven. Wenn man weiss, dass man Recht hat, muss man bis ans Ende gehen. Jetzt werde ich meine Zeit dafür einsetzen, anderen Eltern zu helfen.“
Medienmitteilung von Inclusion Handicap
Antwort auf eine Interpellation der Grossrätin Liliane Maury Pasquier (SP/GE)