Das revidierte Volksschulgesetz rückt Regel- und Sonderschule strukturell näher zusammen – ein überfälliger Schritt. Allerdings wurde dabei die Chance verpasst, die schulische Integration voranzubringen.
Seit Anfang 2022 ist im Kanton Bern das revidierte Volksschulgesetz (REVOS) in Kraft. Es führt zum Wechsel der Zuständigkeit der Sonderschulbildung von der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion zur Bildungs- und Kulturdirektion. Die Regel- und Sonderschulbildung im Kanton sind somit unter einem «gemeinsamen Dach». Die Revision ist ein wichtiger, längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung: Die beiden Schulsysteme rücken strukturell näher zusammen.
Mehr Integration war kein Ziel
insieme bedauert allerdings, dass mit der Revision nicht die Chance genutzt wurde, die schulische Integration voranzubringen. Das neue Gesetz ändert nichts am Verhältnis der Anzahl Kinder, die eine Regel- oder eine Sonderschule besuchen. Die Separation wird weiterhin als bewährtes Konzept erachtet, das mit der integrativen Schulung gleichgestellt wird. Damit ignoriert der Kanton sowohl die Grundsätze des Sonderpädagogikkonkordats, die der schulischen Integration den Vorrang gibt, als auch die UNO-Behindertenrechtskonvention, die ein inklusives Schulsystem – also eine Schule für alle – verlangt. Leider ist davon auszugehen, dass Eltern nach wie vor individuell und je nach ihren Kapazitäten für die schulische Integration Ihrer Kinder einstehen müssen.
Weitere wichtige Änderungen
- Neu werden die individuellen Bedürfnisse von Kindern anhand des «Standardisierten Abklärungsverfahrens» (SAV) festlegt.
- Der Kanton übernimmt die Verantwortung für die Suche eines passenden Schulplatzes. Die Sonderschulen haben eine Aufnahmepflicht. Eltern müssen also nicht mehr selber einen Sonderschulplatz suchen.
- Die Verantwortung für die integrativ beschulten Kinder, sowie für die speziell ausgebildeten Lehrkräfte und Therapeut*innen, wie Logopäd*innen, liegt bei den Regelschulen.
- Der Lehrplan gilt neu auch für die Sonderschulen. Dies begünstigt die Durchlässigkeit zwischen Sonder- und Regelschulen.
insieme setzt alles daran, dass die UNO-Behindertenrechtskonvention im Schulbereich umgesetzt wird. Mit anderen Worten: Alle Menschen – egal welche Voraussetzungen sie mitbringen, können an einem qualitativ hochwertigen, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmten, inklusiven Bildungssystem teilhaben.