Prävention und Grenzverletzung

Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung sind besonders gefährdet, Opfer von sexueller oder körperlicher Gewalt zu werden. Aufgrund ihres Unterstützungsbedarfs entsteht ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, welches Übergriffe begünstigt. Umso wichtiger sind Präventionsmassnahmen bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, den Angehörigen und Betreuungspersonen.

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    Was tun bei unerwünschten Kontakten?

    Wörter oder Körper-Kontakte können stören oder sogar verletzen.

    Denn jeder und jede von uns hat seine eigenen Grenzen.

     

    Zum Beispiel:

    Jemand spricht böse mit Ihnen. Und Sie fühlen sich verletzt.

    Jemand berührt Sie an Ihrem Körper. Und Sie wollen das nicht.

    Sie haben etwas gesehen, was Ihnen ein ungutes Gefühl gibt.

    Es ist etwas passiert, was Ihnen ein ungutes Gefühl gibt.

    Dann überschreitet vielleicht jemand die Grenzen.

     

    Situationen mit Unterstützung

    Manchmal ist man auf Unterstützung angewiesen.

    Dann kann es leichter passieren,

    dass jemand Grenzen nicht einhaltet oder überschreitet.

    Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung brauchen oft Unterstützung von anderen Personen.

    Manchmal auch bei der Körperpflege.

    Oft geht alles gut.

    Aber manchmal hält die Begleit-Person die Grenze nicht ein.

    Diese Begleit-Person ist vielleicht ein Betreuer oder eine Pflegerin.

    Und diese Begleit-Person will die Situation ausnutzen.

     

    Zum Beispiel:

    Sie fotografiert die Person mit Behinderung nackt.

    Sie will die Person mit Behinderung im Intim-Bereich berühren.

    Zum Beispiel am Penis, oder an der Vulva, oder an den Brüsten.

    Oder sie tut etwas, was die Person mit Behinderung nicht will.

     

    Es ist schlimm, wenn jemand Grenzen nicht einhaltet.

    Alle Menschen brauchen Schutz vor Grenz-Verletzungen.

    Alle Menschen brauchen Vertrauens-Personen, mit denen sie sprechen können.

     

    Bei insieme wollen wir, dass sich alle wohl fühlen.

    Bei insieme wollen wir keine Grenz-Verletzungen.

     

    Hat bei insieme jemand Ihre Grenzen überschritten?

    Haben Sie eine Situation gesehen, die Ihnen ein schlechtes Gefühl gibt?

    Haben Sie eine Situation erlebt, die Ihnen ein schlechtes Gefühl gibt?

     

    Wurden Sie Opfer von Gewalt oder von einem sexuellen Missbrauch?

    Wollen Sie darüber sprechen?

    Wollen Sie ein bestimmtes Ereignis melden?

    Dann kontaktieren Sie die Anlauf- und Meldestelle: Kontakt

     

Null-Toleranz

insieme Schweiz toleriert keine sexuelle Ausbeutung, keinen Missbrauch und keine anderen Formen von Grenzverletzung und Gewalt. Mit der Unterzeichnung der Charta zur Prävention verpflichtet sich insieme dazu, jedem Verdachtsfall nachzugehen. Der Verhaltenskodex zur Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen für die Mitarbeitenden und Freiwilligen konkretisiert diese Verpflichtungen. Beide Dokumente können weiter unten heruntergeladen werden.

Die interne Anlauf- und Meldestelle steht den insieme Regionalvereinen und den Nutzer*innen von insieme-Angeboten zur Verfügung:

Haben Sie Fragen zu Grenzverletzungen oder zur Prävention?
Hat eine bestimmte Situation oder eine Aussage Sie irritiert?
Vermuten Sie eine Grenzverletzung?
Oder haben Sie in einem insieme-Angebot Gewalt erlebt?

Möchten Sie darüber sprechen?

Dann sind die Berater*innen der Anlauf- und Meldestelle für Sie da.

Kontakt aufnehmen mit der Anlaufstelle und Meldestelle

Respektieren der persönlichen Grenzen

Jeder Mensch hat seine persönlichen körperlichen und sexuellen Grenzen. Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung haben das Recht, dass ihre persönlichen Grenzen respektiert werden. Bei ihnen braucht es besonders viel Achtsamkeit, diese Grenzen kennen zu lernen und richtig zu deuten.

Bereits Kinder lernen durch Sexualaufklärung die Bezeichnungen für ihre Körperteile und Sexualorgane kennen. Dies befähigt sie, ihren Körper wahrzunehmen und über Veränderungen zu kommunizieren.

Transparenz und eine offene Kommunikation sind Basis für gegenseitiges Vertrauen. Zwischen der Person mit Beeinträchtigung und Angehörigen, im Umgang mit weiteren Bezugspersonen, Assistenzpersonen oder Institutions-Mitarbeiter*innen.

 

Präventionsmassnahmen

Eine dem Alter und Entwicklungsstand angepasste Sexualaufklärung ist die beste Prävention. Angehörige können dabei eine wichtige Rolle einnehmen.

Es ist wichtig, dass Personen mit Beeinträchtigung wissen:

  • Mein Körper gehört mir
  • Wenn ich die Art, wie jemand mir hilft, nicht mag, darf ich dies sagen.
  • Ich darf sagen: Nein, das will ich nicht. Oder ich zeige mit der Hand: Stopp
  • Wenn ich selber nicht «stopp» sagen kann, so darf ich Hilfe und Unterstützung holen.

7-Punkte-Prävention von Limita
Präventionsangebot für Kinder und Jugendliche: Kinderparcours von Limita

Verdachtsmomente

Oft stammt die oder der Täter*in aus dem sozialen Umfeld des Opfers. Hinweis auf eine Grenzüberschreitung kann auffallendes Verhalten wie das Zeigen von Ängsten, Verstörtheit, selbstverletzende Handlungen, Konzentrationsschwäche, Rückzug, aggressives, sexualisiertes Verhalten oder eine sexualisierte Sprache sein.

 

 

Intervention

Falls ein konkreter Verdacht auf eine Grenzüberschreitung besteht oder sich ein Vorfall ereignet hat, muss in erster Linie die betroffene Person geschützt und vor weiterem Schaden bewahrt werden. Wichtig ist ein umsichtiges Vorgehen. Ruhe bewahren und nicht überstürzt handeln. Am besten schriftlich festhalten, was vorgefallen ist.

Angehörige sollten davon absehen, selber Untersuchungen anzustellen. Möglichst zeitnah sollte der Rat einer unabhängigen Fachperson eingeholt werden. In jedem Fall ist für eine psychologische Betreuung des Opfers zu sorgen.

Unterstützung und Information

Bei einem strafrechtlich relevanten Vorfall kann gegen die oder den Täter*in eine strafrechtliche Anzeige eingereicht werden. Bei einem Offizial-Delikt wie Nötigung oder Vergewaltigung muss die Polizei «von Amtes wegen» Ermittlungen aufnehmen.

Vorfälle in Institutionen

Die Institutionen sind gesetzlich verpflichtet, als Arbeitgebende Präventionsmassnahmen zu ergreifen. Grundlage dafür ist das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann. Institutionen müssen präventiv wirken, um Übergriffe von ihren Angestellten gegenüber den Bewohnenden (und umgekehrt), zwischen den Bewohnenden sowie zwischen ihren Angestellten zu verhindern und bei Bedarf zu intervenieren.
Erfolgt die Grenzüberschreitung durch eine*n Mitarbeitende*n in einer Institution, so ist die Leitung zudem verpflichtet, die Grenzüberschreitung arbeitsrechtlich zu sanktionieren. Diese Verpflichtung gilt unabhängig von einem allfälligen strafrechtlichen Verfahren.

Intervention bei konkreten Problemen (Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann)

Auf einer Betonwand sieht man Lichtstrahlen, auf denen schattige Linien ein Gitter bilden
Die Istanbul-Konvention hat zum Ziel, die Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen.

Istanbul-Konvention

2018 ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) für die Schweiz in Kraft getreten. Ihr Ziel ist, geschlechtsspezifische und familiäre Gewalt an ihren Wurzeln zu bekämpfen und die Rechte der Gewaltbetroffenen auf Unterstützung und Schutz durchzusetzen.

In diesen Zusammenhang wurden zwei zentrale Berichte publiziert:

  • der erste staatliche Bericht der Schweiz, vom Bundesrat publiziert
  • ein «Alternativbericht» der Zivilgesellschaft

Menschen mit einer Behinderung

Im Rahmen des Alternativberichts hat die verbandsübergreifende Arbeitsgruppe (AG Prävention), zu der auch insieme Schweiz gehört, einen vertiefenden Bericht mit Fokus auf Menschen mit einer Behinderung erarbeitet. Dieser betont die Wichtigkeit, die spezifischen Umstände vom Menschen mit einer Behinderung zu berücksichtigen, die mit einem hohen Risiko leben, Opfer von Gewalt zu werden. Die verschiedenen Berichte können weiter unten heruntergeladen werden: «Dokumente zum Herunterladen».