St. Galler Urteil zum Assistenzbeitrag

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Volljährige Personen mit einer Behinderung, die selbständig wohnen, haben Anspruch auf einen Assistenzbeitrag der IV. Wie hoch dieser ausfällt, ermittelt die zuständige IV-Stelle mit einem standardisierten Fragebogen. In einem Urteil vom Dezember 2020 kommt das Versicherungsgericht in St. Gallen zum Schluss, dass damit der Unterstützungsbedarf von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung nicht adäquat erfasst wird, und fordert die IV-Stelle auf, den Assistenzbeitrag neu zu berechnen. Verändert sich damit die Praxis der Berechnung, könnten künftig auch Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung den Assistenzbeitrag nutzen, um die benötigte Unterstützung in der eigenen Wohnung zu finanzieren.

Ein junger Erwachsener mit Trisomie 21 hat bei der zuständigen IV-Stelle einen Assistenzbeitrag beantragt, um die benötigte Unterstützung für den Alltag in der eigenen Wohnung finanzieren zu können. Die IV-Stelle kommt zum Schluss, dass der junge Mann einen Unterstützungsbedarf von rund 32 Stunden pro Monat hat. Berechnet hat sie diese Zahl mit dem standardisierten Fragebogen «FAKT2». Weil davon die Hilflosenentschädigung für rund 35 Stunden pro Monat abgezogen wird, erhält der junge Mann keinen zusätzlichen Assistenzbeitrag.

Gegen die Verfügung der IV-Stelle erhebt er Beschwerde beim Versicherungsgericht in St. Gallen. Dabei unterstützen ihn insieme Schweiz und Inclusion Handicap mit einer Stellungnahme, in der aufgezeigt wird, dass das «FAKT2» den Unterstützungsbedarf von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung nicht richtig erfassen kann.

Eine Frau begleitet eine Person

Volljährige Personen mit einer Behinderung, die selbständig wohnen, haben Anspruch auf einen Assistenzbeitrag. ©Vera Markus

Personen mit kognitiver Beeinträchtigung brauchen ständige Begleitung

Im Entscheid vom 9. Dezember stimmt das Versicherungsgericht den Argumenten des jungen Mannes und der Stellungnahme zu. Es kommt zum Schluss, dass eine Person mit einer kognitiven Beeinträchtigung eine ständige Begleitung und Unterstützung im Alltag braucht und es nicht ausreicht, nur eine Schlusskontrolle zu machen. Als Beispiel nennt das Gericht das Waschen von Kleidung: Es genügt nicht, dass eine Assistenzperson der Person mit Beeinträchtigung dazu den Auftrag gibt, sondern es braucht eine dauernde Begleitung und Anleitung beim Waschprozess.

Da dieser Unterstützungsbedarf vom «FAKT2» nicht erfasst wird, kommt die IV-Stelle auf einen tieferen Bedarf. Das Gericht führt aus, dass der Assistenzbeitrag so bemessen sein muss, dass er eine angemessene Entlöhnung der Assistenzperson erlaubt, was bedeutet, dass er auch die unvermeidlichen Präsenzzeiten abdecken muss.

Wegweisendes Urteil

Durch die neue Rechtsprechung müssen die IV-Stellen den Assistenzbeitrag jetzt anders berechnen und insbesondere den Bedarf einer ständigen Begleitung von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung berücksichtigen. Nur dann haben auch sie die Möglichkeit, selbständig zu wohnen und sich die dafür benötigte Unterstützung zu finanzieren.

Bei Fragen zum Assistenzbeitrag informiert Sie insieme Schweiz.

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