Zu wenig Zeit beim Arztbesuch

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Per 1. Januar 2018 gelten neue zeitliche Beschränkungen für Arztbesuche. Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen haben diese besonders einschneidende Auswirkungen: Die Ärztin muss zukünftig gegenüber der Krankenkasse begründen, wenn sie für eine Konsultation mehr Zeit als vorgeschrieben gebraucht hat. insieme befürchtet, dass sich die medizinische Versorgung von Menschen mit geistigen Behinderungen verschlechtern wird.

Weil sich die Tarifpartner nicht einigen konnten, hat der Bundesrat am 18. Oktober 2017 die neue Tarifstruktur für ärztliche Leistungen (TARMED) für ein (Übergangs-)Jahr festgelegt. Die Grundkonsultation wird grundsätzlich auf 20 Minuten beschränkt und die zugestandene Zeit für „Arbeit in Abwesenheit der Patientin“ wird halbiert. Ausnahmen müssen bei der Versicherung beantragt werden: beispielsweise für Kinder unter 6 Jahren, Personen über 75 Jahre und Personen mit „mittleren oder schweren kognitiven Funktionseinschränkungen“. Bedingung ist, dass die Gründe in der Patientenakte aufgeführt sind.

Mehr Zeit ist notwendig

Die ärztliche Behandlung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen dauert vielfach länger als üblich, und es sind vermehrt Abklärungen in Abwesenheit der Patientin notwendig. Gründe sind die oft komplexen Krankheitsbilder und unterschiedlichste Kommunikationseinschränkungen. insieme hat bereits in der Vernehmlassung gefordert, dass die zeitlichen Beschränkungen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung fallen gelassen werden. Leider wurde dies für TARMED nicht aufgenommen.

Droht eine Zweiklassen-Medizin?

insieme befürchtet, dass die neue Limitierung Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung diskriminiert. Falls ÄrztInnen die notwendige Konsultationszeit nicht verrechnen können, wird ihre Bereitschaft sinken, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen als PatientInnen aufzunehmen. Bereits heute ist es für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen eine Herausforderung, eine für sie kompetente Ärztin oder einen kompetenten Arzt zu finden.

Einiges ist noch unklar: Wer bezahlt, wenn die Versicherung nachträglich die Kostenübernahme für eine länger dauernde Konsultation verweigert? Werden die zeitlichen Limiten ÄrztInnen abschrecken, Personen mit geistigen Behinderungen als PatientInnen anzunehmen?

Aufruf: Melden Sie uns, falls Sie negative Erfahrungen erleben!

insieme macht sich dafür stark, dass der zeitliche Druck zu keiner verschlechterten medizinischen Betreuung führen darf. Deshalb: Falls Sie die neuen zeitlichen Beschränkungen negativ zu spüren bekommen, so melden Sie dies bitte an Rahel Reinert, rreinert@insieme.ch.