Die Wohnform (endlich) selbst wählen können

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Nach dem deutlichen Ja des Nationalrats nimmt heute auch der Ständerat eine Motion an und beauftragt den Bundesrat mit einer Gesetzesänderung, die es Menschen mit Behinderungen ermöglichen soll, ihre Wohnform und ihren Wohnort frei zu wählen. Ihnen diese Freiheit zu verwehren, steht im Widerspruch zur UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK).

Da die Finanzierung des Wohnens kantonal geregelt wird, ist es für Menschen mit einer Behinderung oft unmöglich, aus ihrem ursprünglichen Wohnkanton in einen anderen Kanton umzuziehen. Diese Erfahrung machte auch Lucien Favero*, der eine mehrfache Behinderung hat. In der Zürcher Einrichtung, in der er tagsüber arbeitet, hat er sich auf die Warteliste für einen Wohnplatz setzen lassen und wohnt solange weiterhin bei seinen Eltern. Diese haben nun aber ihre Traumwohnung im Kanton Thurgau gefunden, nur wenige Kilometer von der Kantonsgrenze entfernt. Nach dem Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) ist der Kanton Thurgau dafür verantwortlich, Lucien bei der Wohnungssuche zu unterstützen, wenn er mit den Eltern dorthin umzieht. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Kanton Thurgau einen Platz in der Zürcher Institution, der ersten Wahl von Lucien Favero*, finanzieren wird. Er müsste nicht nur auf seine zukünftige Wohnung verzichten, sondern auch auf seine derzeitige Arbeit, die ebenfalls von kantonalen Finanzierungen abhängt.

Da die Finanzierung des Wohnens kantonal geregelt wird, ist es für Menschen mit einer Behinderung oft unmöglich, aus ihrem ursprünglichen Wohnkanton in einen anderen Kanton umzuziehen. © Vera Markus

Ein Gesetz mit negativen Auswirkungen

Als das IFEG 2008 in Kraft trat, war die Idee klar: Die Kantone müssen jeder Person mit einer Behinderung einen Platz in einer Institution garantieren. Diese Bestimmung erschwert jedoch die Finanzierung des Wohnens zu Hause und die Entwicklung von Alternativen zum Leben in einer Institution seitens der Kantone. Viele Menschen leben daher notgedrungen in einer Einrichtung, ohne ihre Mitbewohnenden oder ihren Lebensstil wählen zu können, weil es dafür keine Finanzierung oder Unterstützung gibt.

Mit der Annahme der Motion durch den National- und den Ständerat macht das Parlament klar, dass die UNO-BRK in der Schweiz umgesetzt werden muss. Es beauftragt den Bundesrat, das IFEG zu überarbeiten und neu so zu formulieren, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit erhalten, frei und selbstständig zu entscheiden, wie und wo sie wohnen möchten. Und dafür zu sorgen, dass sie auch die dafür notwendige Unterstützung erhalten.

*Pseudonym, die Identität ist insieme Schweiz bekannt