Menschen mit Behinderung sind in der Politik untervertreten. Christian Lohr ist der einzige Bundes-Parlamentarier mit einer sichtbaren Behinderung. Das ist viel zu wenig im Verhältnis zu den rund 1,7 Millionen Menschen mit einer Behinderung, die in der Schweiz leben. Für mehr politische Partizipation von Menschen mit Behinderung setzt sich auch der Zürcher Politiker Islam Alijaj mit dem Verein Tatkraft ein. Um Grundlagen zu schaffen, hat er die Studie «Disabled in Politics» bei der Universität Zürich in Auftrag gegeben. Jetzt liegen Resultate und ein Massnahmenkatalog vor.
Wie kann die politische Partizipation von Menschen mit einer Behinderung in der Schweiz, insbesondere in politischen Gremien, quantitativ und auf allen Staatsebenen erhöht werden? Denn mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, Personen mit einer Behinderung die Ausübung ihrer politischer Rechte gleichberechtigt zu ermöglichen. Dazu gehört neben dem aktiven Wahlrecht, also dem Abstimmen und Wählen, auch das passive Wahlrecht, die Möglichkeit sich zur Wahl zu stellen.
Mehr finanzielle Ressourcen
Die Studie formuliert Empfehlungen, wie diese Verpflichtung in der Schweiz umgesetzt werden kann. Die Empfehlungen betreffen die Behörden auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene, die politischen Parteien und die Organisation von Menschen mit einer Behinderung.
Dabei müssen Bund und Kantone die Gesetze so anpassen, dass Menschen mit einer Behinderung ihr aktives und passives Wahlrecht wahrnehmen können. Die Studie kommt zum Schluss, dass dafür eine finanzielle Unterstützung der Parteien und der Politiker*innen mit einer Behinderung notwendig ist und schlägt einen Fonds vor, aus dem Gelder vergeben werden können.
Parteien schaffen Stellen, Organisationen sorgen für Sichtbarkeit
Nur so können sich Menschen mit einer Behinderung gemäss dem Grundsatz «Nichts über uns ohne uns» selber für ihre Anliegen einsetzen. Wichtig dafür sind politische Bildung und Informationen, die für die Politiker*innen verständlich sind. Dabei sind technische Unterstützungsmöglichkeiten wie für Screen-Reader-Software zugängliche Dokumente, aber auch Gebärdensprache und Kommunikation in Leichter Sprache mitgedacht.
Auf Kantonsebene sollen die politischen Parteien Stellen schaffen, die für Barrierefreiheit und Nachteilsausgleich zuständig sind und von Menschen mit einer Behinderung geführt werden. Weiter sollen Organisationen von Menschen mit Behinderung Kandidierende mit Behinderung unabhängig deren Parteizugehörigkeit unterstützen und so deren Sichtbarkeit verbessern.
Menschen mit einer Behinderung sind für eine politische Karriere oft auf Unterstützung angewiesen. Da sich der Bedarf von Person zu Person unterscheidet, soll ein Repertoire an verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten aufgebaut werden. Dazu zählen Assistenz und Coaching für interessierte Personen.