Der Bundesrat hat am 16. Juni einen Bericht über Gewalt an Menschen mit Beeinträchtigung publiziert. Der Bericht zeigt klar, dass dringender Handlungsbedarf besteht. insieme unterstützt die Schussfolgerungen des Berichts, verlangt aber präzisere und umfassendere Massnahmen mit verbindlichen Fristen für die Umsetzung.
Menschen mit Behinderungen sind einem stark erhöhten Risiko von Gewalt und sexuellen Grenzverletzungen ausgesetzt. Dies belegen verschiedene Studien aus dem nahen Ausland. Aufgrund eines Postulats von Nationalrätin Franziska Roth (SP/SO) hat der Bundesrat einen Bericht zu folgenden Fragen verfasst: Wie stark sind Menschen mit Behinderungen von verschiedenen Formen von Gewalt sowie Vernachlässigung und Grenzüberschreitungen betroffen (Datengrundlage)? Wie können die Fälle besser erfasst werden? Wie können die Betreuung und Nachsorge von Betroffenen verbessert werden? Wie kann die Prävention verstärkt werden können (Umsetzung der Istanbul-Konvention, Hilfsangebote)?
In seinem am 16. Juni publizierten Bericht empfiehlt der Bundesrat namentlich, Statistiken zu Gewaltvorkommen als Grundlage für wirkungsvolle Massnahmen zu erarbeiten. Beratungs- und Hilfsangebote für Menschen, die von Gewalt betroffen sind, soll allen Menschen mit Beeinträchtigung barrierefrei zugänglich sein. Weiter empfiehlt er den Kantonen die Harmonisierung ihrer Schutzvorkehrungen: Diese sollten insbesondere die Institutionen für Menschen mit Behinderung verpflichten, interne Meldestellen einzurichten.
insieme plädiert für konkretere Massnahmen
Zusammen mit ARTISET, INSOS, Anthrosocial und Limita hat insieme Schweiz die Erarbeitung des Berichts unterstützt. Die Empfehlungen gehen zwar in die richtige Richtung, sind aber zu wenig verbindlich. insieme Schweiz und die anderen Organisationen fordern, dass die im Bericht empfohlenen Massnahmen in den nächsten fünf Jahren konkretisiert und ihre Umsetzung geplant wird.
Systematische Forschung und Informationspflicht
Der Bericht des Bundesrats stützt sich immer noch auf Daten aus den Nachbarländern. Doch nur, wenn man die Situation in der Schweiz kennt, ist es möglich, wirkungsvolle Massnahmen zu ergreifen. Die Organisationen fordern deshalb, dass die Schweiz systematisch erforscht (mittels einer Prävalenzstudie), in welchem Ausmass Menschen mit Beeinträchtigung in der Schweiz von Gewalt betroffen sind. Deren Perspektive ist in allen relevanten Gewaltstatistiken umfassend zu berücksichtigen. Es genügt auch nicht, die Hilfsangebote und Beratungen nur zugänglicher zu machen. Wer diese Leistungen anbietet, muss aktiv kommunizieren, damit die Angebote bei den Menschen mit Beeinträchtigung bekannt werden und von ihnen genutzt werden können. Schliesslich muss eine Kampagne lanciert werden, damit die breite Öffentlichkeit, die Menschen mit Beeinträchtigung und die Fachleute für das Thema Gewalt an Menschen mit Beeinträchtigung sensibilisiert werden.
Was Institutionen für Menschen mit Beeinträchtigung betrifft, müssen die Kantone Qualitätskriterien für deren Schutzkonzepte und interne Meldestellen definieren sowie eine aktive Rolle im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht wahrnehmen.