Menschen mit geistiger Behinderung drohen beim Assistenzbeitrag aussen vor zu bleiben. Und bei der beruflichen Ausbildung zeichnet sich ein Abbau durch die Hintertür ab. Die Elternvereinigung insieme fordert bei den anstehenden Entscheiden auf Verordnungsebene, dass der Bundesrat sich auf solidarische Grundwerte besinnt und Menschen mit geistiger Behinderung nicht weiter diskriminiert und marginalisiert.
Für insieme geht das Differenzbereinigungsverfahrens im Parlament zur IV-Revision 6a mit einem negativen Beigeschmack zu Ende: Beim Assistenzbeitrag, der Menschen mit Behinderung Eigenständigkeit und Selbstbestimmung ausserhalb einer Institution ermöglicht, hat sich das Arbeitgebermodell durchgesetzt, das für viele Menschen mit geistiger Behinderung ein grosses Erschwernis darstellt. Auch die Halbierung der Hilflosenentschädigung von HeimbewohnerInnen, mit der dieses Modell finanziert werden soll, läuft dem Fairnessprinzip zuwider.
insieme befürchtet, dass vom Assistenzbeitrag die wenigsten Menschen mit geistiger Behinderung profitieren werden. Damit würden sie eine Leistung berappen, die sie gar nicht beziehen. Zwar ist das Erfordernis der Handlungsfähigkeit als Zulassungsvoraussetzung im Gesetz gestrichen worden, womit auch Menschen mit geistiger Behinderung, die einen Vormund oder Beistand haben, grundsätzlich einen Assistenzbeitrag beantragen können. Dem Bundesrat bleibt es allerdings freigestellt, ob er für diese Personen auf dem Verordnungsweg noch zusätzliche Zulassungskriterien aufstellen will. insieme appelliert deshalb an das Verantwortungsbewusstsein der Landesregierung und fordert, dass sie von ausschliessenden und diskriminierenden Formulierungen absieht. Auch Menschen mit geistiger Behinderung sollen eine Chance auf eine Alternative zur stationären Unterbringung in einer Institution erhalten.
Abstriche bei der Bildung befürchtet
Auch bei der beruflichen Integration von Sonderschulabgängern sind im Massnahmenpaket der IV-Revision 6b drastische Sparmassnahmen vorgesehen; die sogenannten IV-Anlehren sollen bloss noch bezahlt werden, wenn Aussicht auf eine spätere Integration im ersten Arbeitsmarkt besteht. Diese Massnahme kann der Bundesrat aber auch ohne Gesetzesänderung auf Verordnungsebene realisieren und damit den demokratischen Meinungsbildungsprozess, wie er im Rahmen der IV-Revision 6b stattfinden wird, umgehen.
Es darf nicht sein, dass die IV-Anlehre, die auch Jugendlichen mit schwererer Beeinträchtigung eine berufliche Perspektive und mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz garantiert, nun vielen Schulabgängern vorenthalten wird. Der Ausschluss von geistig behinderten Menschen aus der Berufsausbildung läuft grundrechtlichen Ansprüchen klar zuwider und zeugt von Kurzsichtigkeit.
insieme vertritt die Interessen von rund 50‘000 Menschen mit geistiger Behinderung. Die 1960 gegründete Elternvereinigung mit ihren 52 regionalen und kantonalen Vereinen zählt rund 9‘000 aktive Mitglieder und rund 30‘000 Freunde, SympathisantInnen und Gönner. insieme setzt sich für Rahmenbedingungen und Voraussetzungen ein, die Menschen mit geistiger Behinderung ein Leben als gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft ermöglichen.