Bundesrat beim Wort nehmen

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Eine Stellungnahme von Bundesrat Berset auf die 2011 mit über 100‘000 Unterschriften eingereichte Petition «Berufsbildung für alle» ist bei den Petitionären insieme, Procap und der Vereinigung Cerebral eingetroffen.

Sie zeigt die widersprüchliche Haltung des Bundesrates auf. Einerseits hält er am Bildungsabbau fest, der gerade stärker beeinträchtigte Jugendliche hart trifft. Andererseits ist sein zentrales Anliegen, dass ALLE Jugendlichen nach ihren Fähigkeiten optimal gefördert werden sollen.

2011 reichte insieme gemeinsam mit Procap Schweiz und der Vereinigung Cerebral Schweiz die Petition „Berufsbildung für alle“ mit über 100‘000 Unterschriften ein. Grund dafür war, dass der Bundesrat die Hürden für eine berufliche Qualifikation bei stärker beeinträchtigten Jugendlichen hinaufgesetzt hatte. Per IV-Rundschreiben führte er eine neue Praxis ein, die die Aussicht auf eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt für ein zweites Lehrjahr voraussetzt.

Kein Handlungsbedarf

Berufliche Eingliederung ist Programm: in der Strategie zur „Weiterentwicklung der IV“ steht sie im Fokus. Alle beeinträchtigten Jugendlichen sollen am Anfang ihrer Berufslaufbahn eine faire Chance erhalten. Wirklich ALLE? In seinem Antwortschreiben auf die Petition «Berufsbildung für alle» von insieme, Procap und der Vereinigung Cerebral macht Bundesrat Berset deutlich, dass er an der seit 2011 geltenden Praxis bei der Berufsbildung festhalten will, die gerade stärker beeinträchtigte Jugendliche hart trifft.

Mit 15 ins Abseits gestellt

Aus Sicht der Petitionäre kann die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt nicht Voraussetzung für die erstmalige berufliche Ausbildung sein. Jugendliche mit stärkeren Beeinträchtigungen werden nach der jetzigen Berufsausbildungspraxis bereits im Alter von 15 Jahren ins berufliche Abseits gestellt. Dann nämlich, wenn ihnen die Aussicht auf eine spätere Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt abgesprochen wird. Auch eine Beschäftigung auf dem zweiten Arbeitsmarkt muss erlernt sein und erfordert berufliche Qualifikationen. Jugendliche, die später in einer geschützten Werkstätte arbeiten, haben genauso Anspruch darauf, gefördert zu werden. Auf dem hochspezialisierten ersten Arbeitsmarkt fehlen angemessene Arbeitsplätze für stärker beeinträchtigte Jugendliche. Dafür dürfen sie nicht auch noch bestraft werden .

Transparenz duch Postulat Bulliard-Marbach

Es stellen sich die Fragen: Wie viele beeinträchtigte Jugendliche sind vom Bildungsabbau betroffen? Wie viele Jugendliche erhalten aufgrund der neuen IV-Praxis nur noch Unterstützung für das erste Lehrjahr? Zahlen von INSOS zeigen, dass die Anzahl Lernender im zweiten Lehrjahr seit 2011 abgenommen hat. Gerade bei den niederschwelligen Berufsbildungsangeboten wie der PrA INSOS und der IV-Anlehre braucht es Transparenz. Deshalb unterstützt das Petitionskomitee das Postulat von der Freiburger Natinalrätin Christine Bulliard-Marbach, welches eben diese Transparenz vom Bundesrat fordert.

Bundesrat bei Wort nehmen

Bundesrat Berset erklärt in seinem Schreiben, dass ihm die Förderung aller Jugendlichen, auch derjenigen mit Beeinträchtigungen, ein zentrales Anliegen sei. Die Petitionäre werden ihn beim Wort nehmen, wenn die Strategie zur nationalen Behindertenpolitik entwickelt wird. Motivierte, lernfähige, stolze und zuverlässige jugendliche Mitarbeitende warten auf ihre Chance, anpacken zu können.