Offiziell soll der neue PraenaTest in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich Ende Juli eingeführt werden. Heftige Kontroversen um die gesellschaftlichen Folgen haben die Herstellerfirma Lifecodexx bewogen, die laufende Pilotphase zu unterbrechen.
Der Praenatest ermöglicht es, bereits ab der zehnten Schwangerschaftswoche am Blut der Mutter nachzuweisen, ob das Ungeborene eine Trisomie 21 hat. Anders als die risikoreiche Fruchtwasserpunktion, stellt der neue vorgeburtliche Test für das werdende Kind und für die Schwangere kein Risiko dar, wie die Verantwortlichen von Lifecodexx betonen. Vorerst sollte der Test nur bei Frauen über 35 angewandt werden, die für die Kosten von 1‘500 Franken selber aufkommen müssen. In Deutschland wie auch in der Schweiz wird das neue Verfahren heftig diskutiert. Dennoch steht seine offizielle Einführung noch im Juli bevor.
Abtreibungsdruck wird steigen
insieme hält den PraenaTest und die damit verbundenen Erwartungen für äusserst bedenklich und erachtet eine eingehende gesellschaftliche Auseinandersetzung damit als notwendig. Schon heute entscheidet sich ein grosser Teil der Eltern für eine Abtreibung, wenn bei pränatalen Tests die Diagnose Trisomie 21 gestellt wird. insieme befürchtet, dass der gesellschaftliche Druck auf Schwangere, eine Abtreibung vorzunehmen, mit dem einfach anwendbaren Praenatest noch zunehmen wird. Für Menschen, die heute mit einer Trisomie 21 leben, dürfte sich die Situation insofern verschlechtern, als sie als medizinisch vermeidbar taxiert werden könnten. Die verbreitete Haltung, mit dem Down Syndrom zu leben sei unwert und ein leidvolles Leben, dürfte noch zunehmen. Dabei leiden die wenigsten Menschen mit einer Behinderung direkt unter ihren Einschränkungen. Was sie zu „Behinderten“ macht, sind Hindernisse im Alltag sowie Werte und Vorurteile von Menschen, die ihnen ein glückliches Leben absprechen.
Stärkere Selektion befürchtet
Fachleute sind sich einig, dass mit dem Praenatest im kindlichen Genmaterial nicht nur nach Trisomien, sondern in einem nächsten Schritt nach weiteren Eigenschaften und Anomalien gesucht werden wird. Auch die Bestimmung des Geschlechts, der Augenfarbe oder der Intelligenz dürfte damit dereinst möglich werden. Geschlechtsbestimmungen werden in den USA bereits heute vorgenommen und Embryos zwecks „family balancing“ gezielt selektioniert.
insieme fordert umfassende Beratung
insieme fordert ganz grundsätzlich einen verantwortungsvollen Umgang mit vorgeburtlichen Untersuchungen: Jede pränatale Diagnostik, einschliesslich Praenatest und Ultraschall, müssen von einer umfassenden Beratung begleitet sein. Das bedingt, dass werdende Eltern bei der Diagnose einer Behinderung auch über Alternativen zu einer Abtreibung informiert werden und dass ihnen Kontakte zu Elternvereinigungen und zu betroffenen Eltern ermöglicht werden. Wenn eine Schädigung beim Kind bereits vorgeburtlich diagnostiziert wird, darf dies nicht zu Leistungskürzungen oder Leistungsverweigerungen führen. Schwangeren Frauen muss eine echte und freie Entscheidung ermöglicht werden, umfassend informiert und ohne gesellschaftlichen Druck. Die Betroffenen müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Diagnose einer genetischen Abweichung schwierige Entscheide nach sich zieht. Sie müssen deshalb auch Informationen darüber enthalten, wie sich eine Trisomie 21 auswirkt und dass Menschen mit einer Trisomie durchaus selbständig und glücklich leben können.
Kein Screening
Aus Sicht von insieme sollte der PraenaTest nur bei Risikoschwangerschaften angewendet werden dürfen. Eine systematische und routinemässige Anwendung des Tests lehnt insieme ab.
Beachten Sie diese Beiträge zur Kontroverse um den Pränatest:
„Baby nach Mass“, Doppelpunkt Forum vom 10. Juli2012 DRS1
Fokus zum Praenatest im Magazin insieme (Juni 2/2012)
„Frühdiagnostik“