Der Bedarf an Heimplätzen für Menschen mit herausfordernden Verhaltensweisen soll besser ermittelt werden. Dies hat das Parlament in seiner jüngsten Sommersession beschlossen. Es handelt sich dabei um eines von vielen behandelten Geschäften, die direkt oder indirekt Menschen mit Behinderungen betreffen. Hier ein Überblick.
Für eine verhaltensauffällige Person einen Betreuungsplatz zu finden, ist oft ein schwieriges Unterfangen. Das Postulat von Ständerätin Franziska Roth (SP/SO) beauftragt den Bund, zu prüfen, wie er die Kantone mittels Koordination bei der Platzvergabe unterstützen kann. Das Parlament hat zugestimmt, statistisches Material zu erheben und abzuklären, wieviele Plätze für Betroffene schweizweit in Institutionen benötigt werden. insieme Schweiz hofft, dass dieser erste Schritt zu konkreten Massnahmen führen wird, welche betroffene Familien bei der Suche nach einem Betreuungsangebot entlasten.
Mehr Rechtssicherheit bei der Praxis der fürsorgerischen Unterbringung
«Es kann nicht sein, dass eine Kuh mehr zählt als ein Mensch, der ans Bett gefesselt wird.» Mit dieser provokativen Aussage wies Nationalrätin Sarah Wyss (SP/BS) auf den derzeitigen Mangel an Transparenz bei der fürsorgerischen Unterbringung hin, einer sogenannten Schutzmassnahme, mit der eine Person gegen ihren Willen in einer geeigneten Einrichtung untergebracht oder festgehalten werden kann. In einem Postulat forderte sie die Einführung einer Statistik über fürsorgerische Unterbringungen, die auch bewegungseinschränkende Massnahmen und Behandlungen ohne Zustimmung erfassen soll. Ein zweites Postulat beauftragt den Bundesrat, einen Aktionsplan auszuarbeiten, um diese Praktiken zu vereinheitlichen und besser zu regeln. Beide wurden mit einer komfortablen Mehrheit angenommen. Der Ball liegt nun beim Bundesrat.
Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention im Schweizer Gesetz
Wie steht es um die Harmonisierung der Schweizer Gesetzgebung mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK)? Nationalrätin Gabriela Suter (SP/AG) zeigte die Widersprüche zwischen der Schweizer Gesetzgebung und der UN-BRK auf – zum Beispiel anhand des Stimm- und Wahlrechtausschlusses von Personen unter umfassender Beistandschaft (darunter gibt es viele Menschen mit geistiger Behinderung). Oder anhand des Bundesgesetzes über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG), das ausschliesslich das institutionelle Wohnen fördert.
Die Forderung: Der Bundesrat soll prüfen und Vorschläge machen, wie die Widersprüche beseitigt werden können. Zudem soll der Bundesrat ein systematisches Prüfverfahren entwickeln, mit welchem die Vereinbarkeit der Schweizer Rechtsgrundlagen mit dem Behindertengleichstellungsrecht kontinuierlich abgeglichen werden kann. Eine knappe Mehrheit des Nationalrats unterstützt diese Forderung und nahm das Postulat an.
Weitere behandelte Geschäfte
Weniger erfreulich war, dass die parlamentarische Initiative zur vollständigen Berücksichtigung der Heizkosten bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen abgelehnt wurde. Ebenso fand die Motion, die den Export von ausserordentlichen Renten bei einem Umzug ins Ausland ermöglichen wollte, kein Gehör. Auch auf die Motion von Barbara Gysi (SP/SG), welche eine Anpassung der Mittelvergabe an Behindertenorganisationen verlangte, wollte das Parlament nicht eintreten. Angenommen wurde hingegen der Vorstoss von Manuela Weichelt (G/ZG), in subventionierten Verkehrsmitteln weiterhin Barzahlung zu gewährleisten. Die Motionärin will damit verhindern, dass Personen, die keine digitalen Zahlungsmittel verwenden können, zunehmend ausgegrenzt werden.