Bedenkliche Entwicklung: Ein neuer vorgeburtlicher Test macht es möglich, aus dem Blut von Schwangeren abzulesen, ob ein Kind das Downsyndrom hat.
Druck auf werdende Eltern steigt
Ab Frühsommer 2012 soll der so genannte Praenatest in der Schweiz verfügbar sein. In Amerika ist er seit Oktober 2011 zugelassen. Der Test ermöglicht es, bereits ab der zehnten Schwangerschaftswoche am Blut der Mutter nachzuweisen, ob das Ungeborene eine Trisomie 21 hat. Anders als die risikoreiche Fruchtwasserpunktion ist der Praenatest für das werdende Kind und für die Schwangere ohne Risiko. Michael Lutz, Geschäftsführer der Firma Lifecodexx, die den Test in die Schweiz bringen will, sagt in einem Beitrag des „Beobachters“ (Nr. 5/2012) dazu: „Mit dem Gentest fällt das Risiko einer Fehlgeburt komplett weg“. Die Nachfrage nach dieser Methode sei gross. Kliniken wie zum Beispiel das Universitätsspital der beiden Basel, wollen sie schon bald anwenden; vorerst bei Frauen über 35. Die Kosten von rund 1‘500 Franken allerdings müssen diese selbst übernehmen.
Abtreibungsdruck wird zunehmen
insieme hält das neue Testverfahren und die damit verbundenen Erwartungen für äusserst bedenklich. Schon heute entscheidet sich ein grosser Teil der Eltern für eine Abtreibung, wenn bei pränatalen Tests die Diagnose Trisomie 21 gestellt wird. Der gesellschaftliche Druck auf Schwangere, eine Abtreibung vorzunehmen, dürfte sich mit dem neuen und einfachen Praenatest noch verstärken. Die Situation für Menschen mit einer Trisomie könnte sich insofern verschlechtern, als dass sie als medizinisch vermeidbar taxiert werden.
Hinter dieser Haltung steht das Denken, zu leben mit einer Beeinträchtigung sein ein unwerteres, leidvolles Leben. Menschen mit einer Behinderung leiden jedoch selten direkt unter ihren Einschränkungen. Was sie zu „Behinderten“ macht, sind die vielen Hindernisse im Alltag und Werte und Vorurteile von Menschen, die ihnen ein glückliches Leben absprechen.
Stärkere Selektion
Die Tendenz hin zu noch stärkerer Selektion und Klassifizierung von lebenswertem und nicht lebenswertem Leben wird noch weitergehen; Fachleute sind sich einig, dass mit dem Praenatest im kindlichen Genmaterial nicht nur nach Trisomien, sondern in einem nächsten Schritt nach allen möglichen Eigenschaften und Anomalien gesucht werden kann. Auch die Bestimmung des Geschlechts, der Augenfarbe oder der Intelligenz dürfte damit dereinst möglich sein. Geschlechtsbestimmungen werden in den USA bereits heute vorgenommen und Embryos zwecks „family balancing“ gezielt selektioniert; zurzeit noch mithilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID). Mehr:
Zur „Frühdiagnostik“
Beobachter Beitrag „Das Kind nach Mass“
3 Sat-Beitrag „nano spezial“ vom 30. Januar 2012