Ständerat Luc Recordon hat in einer Interpellation auf die Missstände bei der beruflichen Bildung von Jugendlichen mit Behinderung aufmerksam gemacht. Darüber wurde im Ständerat am 3. Dezember 2012, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, diskutiert. Dabei nahm Recordon Bezug auf eine im Sommer verabschiedete Resolution des Europarates, zu dessen Mitgliedern sich auch die Schweiz zählt.
In der Resolution Nr. 1885, die sich mit den sozialen Auswirkungen der Finanzkrise beschäftigt, heisst es: „… das Europäische Parlament appelliert an die Mitgliedstaaten des Europarates sicherzustellen, dass Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen, insbesondere solche mit einer Behinderung, Zugang zu einer Ausbildung und einer Anstellung haben, die ihren Möglichkeiten entspricht, dass sie dafür eine angemessene Bezahlung erhalten und voll in die Gesellschaft integriert werden“.
Fataler Leistungsabbau
Luc Recordon verlangt in seiner Interpellation vom Bundesrat, die berufliche Grundbildung für Jugendliche mit Behinderung in der Schweiz an diese Resolution anzupassen und Angaben über die Massnahmen für schwerbehinderte Jugendliche zu machen, für die die „Leistungen massiv abgebaut worden sind“. Insbesondere das zweite Ausbildungsjahr für schwer behinderte Jugendliche wird durch das BSV-Rundschreiben Nr. 299 in Frage gestellt.
In seiner Antwort vom 21.11.2012 wies der Bundesrat darauf hin, dass die Resolution des Europarates nicht rechtsverbindlich sei. Zudem würde das BSV bei der IV-Anlehre und der praktischen Ausbildung nach Insos nicht sparen, sondern lediglich die IV-Ressourcen optimieren, sagte Bundesrat Alain Berset während der Debatte im Ständerat. Der Bundesrat hält es nicht für angezeigt, aufgrund der Resolution 1885 die geltende Regelung abzuändern.
Ausbildung: ein Recht für alle
Für insieme bleibt diese Haltung unverständlich: Die Anwendung der Kriterien des Rundschreibens Nr. 299 wird dazu führen, dass viele Jugendliche mit Beeinträchtigung statt zwei Lehrjahren nur noch eines absolvieren dürfen. Dies ist zu kurz, um Wissen zu vertiefen und sich wirklich auf die Ausbildung zu konzentrieren, zumal die Betroffenen bis zum Entscheid der IV-Stelle über das Ja zu einem zweiten Lehrjahr in steter Ungewissheit leben müssen.
insieme hält an den Forderungen fest, wie sie in der im Herbst 2011 eingereichten Petition festgehalten sind: Die Ausbildung von behinderten Jugendlichen darf nicht von Rentabilitätsüberlegungen und einer Anstellung auf dem 1. Arbeitsmarkt abhängig gemacht werden. Ausbildung ist ein Grundrecht und Voraussetzung für einen guten Start ins Berufsleben. Menschen mit Beeinträchtigung steht eine solche Vorbereitung auf das Arbeitsleben wie allen andern zu.
Weitere Informationen zur beruflichen Integration
Interpellation und Antwort Bundesrat