Die Behindertenorganisationen sind bestürzt: Die Sozial- und Gesundheitskommission Nationalrat (SGK-NR) setzt den Leistungsabbau mit aller Härte fort. Mit Sparmassnahmen im Umfang von 360 Mio. Fr. bestraft sie insbesondere Menschen mit schwerer Behinderung und Kinder von Eltern mit Behinderung.
Ohne «6b» Sanierung bis 2029, mit «6b» Sanierung bis 2025
Fakt bleibt: Eine finanzielle Dringlichkeit für die Spar-Vorlage «6b» fehlt. Das Sozialwerk erzielt 2012 voraussichtlich rund 430 Mio. Fr. Gewinn. Das sind rund 50% mehr als vom BSV früher vorausgesagt. Trotzdem legt die SGK-NR dem Nationalrat eine Vorlage mit unbefristeten Sparmassnahmen im Umfang von 360 Mio. Franken vor. Damit würde die IV bis 2025 saniert. Ohne «6b» und damit ohne unbefristete Massnahmen ist eine Sanierung gemäss Aussagen von SGK-NR-Präsident Stéphane Rossini bis 2029 möglich.
Schwerbehinderte mit noch weniger zum Leben
Die SGK-NR hält am Rentensystem des Bundesrats fest. Die Renten der Schwer- und Schwerstbehinderten sinken damit bis zu 30 Prozent. Der Sparhammer trifft insbesondere Personen, die zwischen 60 und 80 Prozent erwerbsunfähig sind. Beispielsweise sinkt bei einer Person mit 70% Invalidität das Ersatzeinkommen von durchschnittlich 1’560 Franken auf 1’136 Franken pro Monat, das heisst um 27%. Welche Unternehmen aber stellen jemanden mit fortschreitender Multipler Sklerose oder eine blinde Person mit einem kleinen Teilpensum an, sodass die Renteneinbusse kompensiert wird? Was die Bundesverfassung vorsieht – eine menschenwürdige Existenz – bleibt damit für viele Betroffene utopisch.
Chance für gerechteres Rentenmodell verpasst
Bundesrat und Verwaltung hätten, in Kooperation mit den Behindertenorganisationen, den finanziellen und zeitlichen Handlungsspielraum nutzen und ein gerechteres Rentenmodell entwickeln können. Die Behindertenverbände lehnen das neue Rentensystem denn auch ab. Sie unterstützen aber Systemverbesserungen, die im Vergleich zu heute kostenneutral ausfallen. Die Senkung der Kinderrente untergräbt die soziale Sicherheit und leistet der Familienarmut Vorschub.
Die Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen fordern den Nationalrat dringend auf, den Handlungsspielraum für die zwingend nötigen Verbesserungen der Vorlage zu nutzen. Sie unterstützen Systemverbesserungen, lehnen Sparmassnahmen aber ab. Der Nationalrat hat es im Dezember in der Hand, ein Referendum zu verhindern.