Vereinfachte Strukturen, eine Harmonisierung der unterschiedlichen Aufsichtskulturen, Sensibilisierung und Schulung des Personals: Diese Empfehlungen präsentierten am 12. März die beiden Experten, die nach den sexuellen Übergriffen des Sozialpädagogen H.S. die Abläufe bei der Heimaufsicht im Kanton Bern überprüft haben. H.S. hatte im Februar 2011 gestanden, sich in den letzten drei Jahrzehnten an mehr als 100 Heimbewohnern und Kindern mit Beeinträchtigung vergangen zu haben. Sechs der neun Institutionen, in denen sich die Übergriffe ereigneten, befinden sich im Kanton Bern.
Verzettelte Aufsicht
Der Bericht vom Berner Rechtsprofessor Markus Müller weist insbesondere auf Probleme auf Verwaltungsebene hin: Die Behördenstruktur bei der Heimaufsicht sei undurchsichtig und werde als wenig einheitlich wahrgenommen. Im Kanton Bern sind zwei Direktionen, drei Ämter und mehrere Abteilungen und Unterabteilungen mit dieser Aufgabe betraut. Justizvorsteher Christoph Neuhaus kündigte eine Harmonisierung der Behördenorganisation an. Im Moment wird zudem geprüft, ob es aufgrund der Expertenberichte Sofortmassnahmen braucht. Weiter seien die zuständigen Ämter angewiesen worden, ein Modell zur Neuorganisation der kantonalen Heimaufsicht auszuarbeiten, sagte Neuhaus am Montag vor den Medien.
Mängel bei der Umsetzung
Der Bericht von Monika Egli, Geschäftsführerin des Forensischen Instituts Ostschweiz, stellte dem Kanton gute Noten aus, was heiminterne Abläufe und Prozesse anbelangt. Die Heime verfügten über die nötigen Konzepte, bei deren Umsetzung zeigten sich jedoch Mängel. Bezüglich Weiterbildung zum Thema sexuelle Aufklärung von Kindern mit Behinderung empfiehlt Egli, die Bemühungen zu verstärken. Auch brauche es eine unabhängige Ombuds- und Beschwerdestelle für alle Heimbereiche.
Ueli Affolter vom Heimverband Bern (HVBE) erinnerte an die folgenschweren Fehler im Fall H.S. bei den betroffenen Heimen: Es sei nicht richtig hingeschaut worden, Referenzen wurden nicht eingeholt, Hinweise nicht weitergegeben. Für eine bessere Ausbildung und zur Sensibilisierung des Personals für Fragen des sexuellen Missbrauchs brauche es aber auch die nötigen finanziellen Mittel, hielt der HVBE-Geschäftsführer fest.
Nulltoleranz dank Zusammenarbeit
Die Ergebnisse aus den beiden Expertisen decken sich in zentralen Punkten mit den Forderungen, die insieme Schweiz wie auch der Heimverband Bern zusammen mit weiteren Verbänden in der „Charta zur Prävention von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und anderen Grenzverletzungen“ festgehalten haben. Der darin festgehaltene Auftrag hat an Dringlichkeit nichts eingebüsst: «Wir schauen hin! Und zwar gemeinsam.»